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Kunst oder Design?

Der Sammler Harald Falckenberg ist der Meinung, dass “gutes Design weh tun muss, um wahrgenommen zu werden”. Bauhaus versus Memphis – der Gegensatz könnte nicht grösser sein. Mid-Century-Möbel sind heute bei Designliebhabern sehr beliebt. Außergewöhnliche Stücke kosteten damals nicht annähernd die Summen, die heute bei Vintage-Möbelhändlern und Design-Auktionen gezahlt werden. Die Preise für seltene Designobjekte nähern sich jenen für hochkarätige Kunstwerke an. Marc Newsons “Lockheed Lounge”, eine Chaiselongue aus einer 10er Edition von 1988, erzielte 2015 beim Auktionshaus Phillips in London rund 2,5 Millionen Pfund. Der lederne “Dragon Chair” (1919) der Art-Deco-Ikone Eileen Gray brachte 2009 an einer Auktion sogar unglaubliche 22 Millionen Euro ein. Wenn solche Preise ein Möbelstück zur Geldan- lage machen, dann wird nicht der Designer zum Künstler, sondern ein Designobjekt zum Statussymbol.

In den letzten Jahren haben sich die beiden Disziplinen Kunst und Design immer mehr angenähert. Dazu beigetragen haben experimentelle “Limited Editions”, über deren Einordnung sich Experten beider Lager streiten. Designobjekte dieser Art könnte man als angewandte Kunst mit einer künstlerischen Ausdrucksform bezeichnen. 2009 zeigte das NRW-Forum in Düsseldorf eine Ausstellung mit dem Titel “UFO: Grenzgänge zwischen Kunst und Design”. Dort präsentierten sich Kunst und Design demokratisch nebeneinander, bewusst ohne Einordnung. Dazwischen Zitate von Protagonisten der jeweiligen Disziplinen als Antworten auf die Frage: “Was ist Ihre Definition von Design?” Der Designer Konstantin Grcic antwortete: “Ein Künstler versteht sich als ein Künstler, der Kunst produziert. Wir sind, denke ich, alle Designer und sehen uns als Designer, und was wir produzieren ist Design, egal, ob es nur ein Mal produziert wird, wie bei einem Einzelstück, oder zehntausend Mal.”

Design im klassischen Sinne bewegt sich seit jeher zwischen technischer und künstlerischer Gestaltung. Wenn man das Designobjekt, zum Beispiel eine Stuhlskulptur, aus dem “White Cube” ins Wohnzimmer verlegt, kann man sich darauf setzen und sie hat eine Funktion. Im Gegensatz dazu erfüllt Kunst keine konkrete Aufgabe, sondern hat einen rein dekorativen oder intellektuellen Anspruch. Der 1976 verstorbene Kunsttheoretiker und -kritiker Ad Reinhardt vertrat die Meinung: “Art is Art. Everything else is everything else.” Man könnte es Experten, Journalisten und Sammlern überlassen, wo sie das jeweilige Werk oder Objekt einordnen wollen. Eine eindeutige Antwort auf die Frage “Kunst oder Design?” gibt es also nicht.